Ich stehe an der Vaporetto Haltestelle Fondamente Nove und blicke hinüber auf die rötlich schimmernden Mauern von San Michele dem Friedhof (Cimitero) von Venedig. Die Toten bewohnen in Venedig nämlich eine eigene Insel. Die wollte ich schon immer mal besuchen und fotografieren. Ich denke an Arnold Böcklin und seine Toteninsel – einem symbolistischen Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Ein Ruderer setzt eine in weiß gehüllte Gestalt und einen Sarg über das Meer zu einer felsigen mit Zypressen bewachsenen Insel. In die Felsen eingelassen befinden sich Grabkammern. Meine Überfahrt zur Toteninsel gestaltet sich bei Leibe nicht so pathetisch. Ich steige einfach in das Vaporetto der Linie 4.1 in Richtung Merano und nach einer kurzen Überfahrt stehe ich an der Pforte von San Michele – dem Friedhof von Venedig. Die Geschichte des Friedhofs beginnt mit einem Erlass Napoleons – getreu der französischen Friedhofsreform – die Toten nicht mehr bei oder in den Kirchen zu beerdigen. So wurde die Insel San Cristoforo della Pace als neuer Friedhof Venedigs ausgewiesen. Aus Platzmangel für die vielen Gräber wurde die Insel mit der benachbarten Insel San Michele durch Aufschüttung des trennenden Kanals verbunden (1835 – 1839). Die so vergrößerte Insel San Michele wurde mit einer Mauer umgeben und zum neuen Zentralfriedhof von Venedig, der die Friedhöfe an der Pfarrkirchen von Venedig ersetze. Wie bei Böcklins Toteninsel ist auch San Michele vorwiegend mit Zypressen bewachsen. Der Friedhof leidet bis heute unter Platzmangel. So werden die beerdigten Toten nach ein paar Jahren exhumiert und in großen Columbarien erneut beigesetzt. Die langestreckten Bauten erwecken den Eindruck, als wandelte auf den Straßen einer Stadt der Toten.
Der britische Architekt David Chipperfield wurde 1998 mit der Erweiterung des Friedhofs betraut. Fotografiert habe ich den ersten Abschnitt der Erweiterung die Corte die Quattro Evangilisti.
Im Gegensatz zu anders lautenden im Netz verbreiteten Informationen ist das Fotografieren auf San Michele keineswegs verboten. Ich hatte mich extra noch einmal in der Touristeninformation erkundigt und sicherheitshalber noch einmal auf dem Friedhof selbst nachgefragt. Das einzige was unerwünscht ist, sind Detailfotos von den Gräbern einzelner Verstorbener. Panoramaansichten sind kein Problem.
Viel Spaß!